Wettkampf: 2015 // 01.11.2015

Spontan zum Frankfurt Marathon

“Spontan ist immer am besten!”, sagt die Trainingspartnerin.

Am Dienstag verfolgte ich gespannt die letzten Vorbereitungen so mancher für den Frankfurt Marathon. Den Marathon, bei dem man sich im Gegensatz zu Berlin auch spontan vor Ort nachmelden kann, um die sagenumwobenen 42.195 Meter zu laufen. Warum das Ganze also nicht einfach spontan machen?

Vor einem Jahr habe ich es in Essen rund um den Baldeneysee selbst probiert und wurde von meinem Zwerchfell in die Schranken gewiesen. So lief ich am Ende nicht einmal um eine echte Bestzeit. Denn auch wenn die 2:55:51 offiziell meine Bestzeit war, hatte ich aus Bottrop bereits eine bessere Durchgangszeit stehen.

Recht schnell fällt also die Entscheidung: Ich probier's. Ganz im Sinne des #ProjektVorfreude habe ich in den vergangenen Wochen die ersten langen Läufe gesammelt: 34, 36, 38 und 44 Kilometer - allesamt komplett ohne Verpflegung - und nach den 10.000m und dem Halbmarathon jeweils 20 Kilometer auslaufen. Respekt vor der Distanz habe ich dementsprechend überhaupt keinen. Ob das geschickt ist?

Eine wirkliche Marathonvorbereitung habe ich natürlich nicht gemacht, und das Tempotraining beschränkt sich auf eine teilweise absolvierte Greif-Treppe und eben die Wettkämpfe. Während ich also bei einem geplanten Start und einer optimalen Vorbereitung eine 2:35 anvisiert hätte, ist mir für Frankfurt alles egal. Irgendetwas zwischen 2:40 und 2:50, das wäre doch ganz gut. Und wenn es nicht klappt, habe ich zumindest einen langen Lauf gemacht. Zugegeben: einen teuren langen Lauf.

 

Marcus meldet mich am Samstag nach und ich fahre am frühen Sonntagmorgen entspannt nach Frankfurt. Während im Zug einige Läufer nervös noch einmal die Streckenkarte bugtachten, höre ich Musik und bin bester Laune. Angekommen, treffe ich Marcus und seine Leipziger Kollegen. Er stellt mir einige schnelle Mitläufer vor, an die ich mich hängen könnte, und es geht mit dem Bus zur Messehalle. Dabei weiß ich selbst noch nicht so recht, was ich laufen will. Ein 4er-Schnitt würde eine 2:48 bedeuten und wie heißt es so schön? "Ein 4er-Schnitt geht immer." Vielleicht geht es aber auch etwas schneller. Der Halbmarathon vor zwei Wochen wirkte bei weitem nicht am Limit.

Da ich mich noch kurz zum #Twitterlauftreff-Treffpunkt begebe, finde ich die schnellen Kollegen aber ohnehin nicht vor dem Start wieder. Stattdessen reihe ich mich brav hinten in den ersten Startblock. Ob ich nun direkt nach den Kenianern oder fünf Minuten später über die Startlinie renne, ist mir egal.

Heute darf es das sein. Wenn ich aber einen "ernsten" Marathon renne, darf ich nicht so nachlässig sein - das ist die erste Lektion, die ich hier lerne. Völlig entspannt laufe ich zwei Minuten nach den Ersten über die Startlinie und bin entsetzt ob der Fülle an Läufern. Der erste Startblock gilt für Zielzeiten bis 3:15 und auf den ersten Kilometern komme ich kaum vorwärts. Ewiges hin und her, teilweise auf der Außenbahn überholen. Puh, ich weiß wieder, warum ich Großveranstaltungen nicht mag.

Die ersten 10 Kilometer durch die Frankfurter Innenstadt laufe ich daher nicht wie im Schlaf, wie man es sich wünschen würde. Stattdessen ziehe ich immer wieder an, um an den Langsameren vorbeizukommen. So laufe ich die ersten 5 km in 3:58/km, die zweiten in 3:53/km und erreiche kurz darauf die schnellen Leipziger, die sich an ihren 4er-Schnitt halten. Das wäre die Chance, mich brav einzureihen und die nächsten Kilometer wieder etwas entspannter zu laufen. Bei der nächsten Verpflegung laufe ich aber automatisch etwas schneller und schon bin ich auf und davon.

Die Verpflegung ist ohnehin so eine Sache, wenn man spontan unterwegs ist. Normalerweise hätte ich bei einer Zielzeit von unter 2:45 Eigenverpflegung abgeben können. Hier und heute nehme ich einfach das, was da ist, und vor allem, worauf ich zu dem jeweiligen Zeitpunkt gerade Lust habe. Das ist nicht die schlauste Entscheidung - völlig klar. Kurz vor der Halbmarathon-Marke muss ich darüberhinaus einmal auf dem Dixie verschwinden - zur Verwunderung der Zuschauer: "Der geht einfach auf's Klo!". Heute stören mich die 30 Sekunden extra nicht.

Zur Halbmarathonmarke schaue ich dann zum ersten Mal intensiver auf die Uhr. 1:22:32 auf meiner Uhr macht eine prognostizierte 2:45. Das ist doch mal ein Ziel. Die nächsten Kilometer sind also noch einmal schneller, womit ich - von der Toilettenpause abgesehen - von Beginn an durchgehend schneller geworden bin.

Inzwischen haben wir den Main ein zweites Mal überquert und es wird langsam anstrengend. Das erste Gel, dass es an den Verpflegungsständen gibt, habe ich probiert. Funktioniert so mittelmäßig. Wir laufen durch Höchst. Ich orientiere mich das erste Mal an anderen Läuferbeinen vor meiner Nase. Es läuft nicht mehr wie von alleine.

Kurz darauf erreichen wir die Mainzer Landstraße. Ewig lang geradeaus. Die Oberschenkel schmerzen. Es rollt nicht mehr. Wasser, Iso, Cola - den Magen freut das kalte Gemisch nicht unbedingt. Immerhin ist es windstill und ich laufe an Thomas Dehaut vorbei, Oldie aus Landstuhl und unter anderem Rodgau-Sieger von 2008 und 2009. Trotzdem werde ich langsamer. Das erste Mal stoppe ich eine 4er-Zeit ab. Das ist kein Grund zur Panik, wenn es hinten raus nicht mehr geht, dann geht es eben nicht mehr. Für heute ist diese Einstellung okay.

Frankfurt-Marathon
Locker Marathon laufen? Das sieht nur so aus. - © Michael

So leide ich ein wenig mit meinen Oberschenkeln. Freue mich zwar, dass es wieder durch die Innenstadt geht und zum Beispiel Michael mich am Straßenrand anfeuert, so locker wie ich aussehe, fühle ich mich aber nicht. Noch ein Bogen und noch ein Umweg. Ich habe das Gefühl, zu schleichen wie eine Schnecke. Thomas läuft von hinten wieder an mich heran, versucht mich zu motivieren. Bei mir ist der Ofen aber längst aus. Er zieht vorbei.

Kurz darauf hole ich ihn doch wieder ein, laufe ein längeres Stück mit ihm. Auch er muss beißen. Letzte Kurve, bevor die Messehalle zu erahnen ist. Ein langgezogener Endspurt kommt nicht - das geben die Oberschenkel nicht mehr her. Erst auf den letzten 200 Metern ziehe ich noch einmal an. 2:47:27. Eine Zeit, die für viele auch nach intensiver Vorbereitung noch unvorstellbar wäre. Eine Zeit, die acht Minuten schneller ist, als letztes Jahr in Essen. Eine Zeit, die mich bei den Voraussetzungen vollends zufriedenstellt.

Im Anschluss gibt es dann doch das volle Programm, wie es zu einem Marathon gehört: Qualvolles Treppensteigen und brennende Oberschenkel, auch ohne sie zu benutzen. Auf 20 Kilometer auslaufen verzichte ich ausnahmsweise.

Statistik

Frankfurt Marathon
Platzierungen: 89. von 909 (AK), 375. von 11154 (Gesamt)
Veranstalter: http://www.frankfurt-marathon.com/
Ergebnisse: http://live.frankfurt-marathon.com/2015/?event=...
Besten Läufe über 42,2 km
25.10.2015 1. Frankfurt Marathon 2:47:27 (3:59)
12.10.2014 2. Essen Marathon 2:55:51 (4:10) -8:24
13.03.2016 3. Bienwald-Marathon 3:22:58 (4:49) -35:31
26.10.2008 4. Lübeck-Marathon 3:23:56 (4:50) -36:29