Wettkampf: 2014 // 27.08.2014

1. Zugspitz Trailrun Challenge

Ein Wochenende in Laufschuhen an der Zugspitze ist für einen Läufer wie mich, der hauptsächlich im Flachen läuft, Herausforderung genug. Wenn eine der Aufgaben dann auch noch ein Ultra-Marathon mit etwa 4.000 Höhenmetern ist, ist der Wahnsinn perfekt.

Auftakt: City-Sprint durch Garmisch-Partenkirchen

Der Auftakt erfolgte am Freitag Abend in Garmisch, zunächst ganz human. Ein kurzer City-Sprint steht auf dem Plan, und damit für meine Trainingspartnerin und mich jeweils die Chance, etwas zu reißen. Also begutachten wir die Strecke, laufen uns warm und freuen uns auf das Wochenende, zusammen mit drei befreundeten Amerikanern, die sich mit uns auf den Weg gemacht haben.

Zugspitz Trailrun Challenge
Warmlaufen auf der Sprint-Strecke

Dabei merken wir schon, dass es statt der vorher angekündigten drei Kilometer nur 1,2 sind. Eine kurze Wendestrecke durch die Fußgängerzone, bevor es in den heiligen Kurpark geht. Durch Blumenbeete und über Stock und Stein führt der kurvige Kurs, der so gar nicht zum schnellen Laufen einlädt. - Aber was sein muss, muss sein.

Gestartet wird in 20-Sekunden-Abständen. Fast alle lassen es gemütlich angehen, kaum einer möchte hier seine Körner verschießen. Zur Belohnung für meine Vorschau und die klare Ankündigung hebt auch Moderator Andreas Menz mich in den Favoritenstand. - Danke, den Druck hätte ich gar nicht gebraucht. Trotzdem kämpfe ich mich irgendwie durch den Parcours - und mit nur 1,7 Sekunden Vorsprung reicht es schließlich in 4:31 hinter drei Einzelstartern und einem Master (40+) zum Leader-Trikot. Ziel erreicht.

Zugspitz Trailrun Challenge
Beim City-Sprint sind alle dabei: Eric, Ich, Carina, Matthew und Justin

Nach Pasta-Party und Siegerehrung wird dann gepackt - und die Packliste für einen langen Lauf durch die Berge ist lang. Zum ersten Mal habe ich auch Stöcke dabei, top vorbereitet, wie ich bin.

Ultra: Scott Rock the Top Marathon

Start ist am Samstag um 6 Uhr. Für meine Trainingspartnerin und mich geht es dank der Leader-Trikots aus erster Reihe los. Gemütlich, wie es bei Ultras üblich ist, wird aber ohnehin nicht gedrängelt. Sehr gemächlich erfolgt der Start hinter dem Führungswagen, der uns die ersten beiden Kilometer durch das dunkle Ehrwald leitet.

Zugspitz Trailrun Challenge
Start zum Scott Rock the Top Marathon im Leader-Trikot

Im Anschluss geht es den ersten Anstieg hoch. Auf einem schmalen Pfad sind etwa 900 Höhenmeter hinauf nach Grüner Ups zu überwinden. Ich lasse die ersten Läufer an mir vorbeiziehen, versuche möglichst ruhig nach oben zu laufen beziehungsweise an den steileren Abschnitten zu gehen. Teilweise bleibe ich stehen, um die ersten genialen Ausblicke zu genießen. - Und trotzdem überholt mich zunächst keiner. Mensch, das läuft ja gut.

Downhill ist nicht meins

Oben angekommen wird es zum ersten Mal eklig. An einer steilen Wiese geht es schräg über den Hang und immer wieder zieren breite Löcher den Weg, sodass ich der Sicherheit zu Liebe wandere. Immerhin, die ersten zehn Kilometer sind in weniger als anderthalb Stunden geschafft, bis das erste Schild Start Dangerous Section kommt. Ich packe die Stöcke aus dem Rucksack und kämpfe mich vorsichtig hinab. Ein, zwei Mal lande ich auf dem Hintern und meine technischen Mängel machen sich deutlich bemerkbar.

Unten in Lähn angekommen gibt es die erste Verpflegungsstelle. Etwas trinken, etwas essen, bevor es flott wieder weiter geht. Zu viel Zeit muss man hier ja nicht liegen lassen. Es läuft doch ganz gut. Der zweite Anstieg ist mit nur etwa 600 Höhenmetern deutlich humaner und ich komme gut voran. 20 Kilometer in etwa 2:50. So weit, so gut.

Zugspitz Trailrun Challenge

Als es wieder hinab geht, ist mein Schicksal allerdings besiegelt. Die Oberschenkel bestehen nur noch aus Pudding und können mein Gewicht kaum noch halten. Gepaart mit der fehlenden Sicherheit in einem solchen Gelände bergab zu laufen, zieht einer nach dem anderen vorbei. Bald auch die Trainingspartnerin.

Biberwierer Scharte: Flotten Schrittes nach oben

In Biberwier gibt es nach 27 Kilometern die nächste Verpflegungsstelle, die ich bitter notwendig habe. Mit frischen Kräften geht es dann in den steilsten Anstieg. Auf 3,5 Kilometern geht es fast 1.000 Höhenmeter hinauf. Das macht etwa 27 Prozent Steigung. Im Durchschnitt. Nach einem ersten steilen Asphaltstück und einem schönen Teil durch den Wald geht es in brutalen Serpentinen über Steine und Geröll nach oben.

Immer wieder blicke ich nach oben und erwarte, dass wir am Hang entlang den Berg umrunden. Da können wir unmöglich rüber laufen, denke ich mir. Aber es geht weiter, immer weiter. Eine Serpentine nach der anderen geht es hinauf und mit großen Schritten, gestützt von den Stöcken, komme ich richtig gut voran.

Die Biberwierer Scharte scheint allerdings kein Ende zu nehmen. Eine gefühlte halbe Stunde lang höre ich weiter oben eine Wandergruppe die Läufer lautstark anfeuert, bis auch ich endlich in den Genuss komme.

Zugspitz Trailrun Challenge

Noch einmal einige Serpentinen, am steilen Abhang entlang und endlich sind die beiden Streckenposten der Bergwacht in Sicht. Geschafft. 31 Kilometer in knapp über fünf Stunden. Uffz.

Nach dem zwar sehr harten und nicht enden wollenden Anstieg folgt nun aber die wahre Qual: Es geht wieder hinab. Den wunderschönen Seebensee im Blick geht es für mich nur ganz, ganz langsam hinab. Mühsam, Schritt für Schritt kämpfe ich mit den völlig kraftlosen Oberschenkeln.

Am See angekommen wird es wieder flacher und ich kämpfe mit der Motivation und mir selbst. Zeit, die Gedanken los zu lassen. Ohne Blickkontakt geht es an den nun mehr werdenden Wanderern vorbei, von denen hier keiner anfeuert. Vermutlich, weil sie nicht verstehen, was wir hier tun. - Wir verstehen es ja selbst nicht.

Schlussanstieg Richtung Zugspitze

Dass die Distanz auf meiner Uhr nicht mit den offiziellen Angaben zusammen passt, ist mir schon ein Weilchen klar. Erst nach 39 Kilometern erreiche ich die für km 34 angekündigte Pestkapelle mit dem letzten richtigen Verpflegungspunkt inklusive Medical Check. Kurz wird abgefragt, wie man sich fühlt. - Von butterweichen Oberschenkeln abgesehen ganz gut. Und jetzt geht es ja nur noch bergauf, oder?

Bereits 7 1/2 Stunden bin ich unterwegs, als ich nach 44 Kilometern das Gatterl erreiche. Auf über 2.000 Metern Höhe überqueren wir die Grenze. Die dichten Wolken verhindern hier oben einen schönen Ausblick. Stattdessen wird es langsam richtig kalt. War ich bis hierhin mit Shirt, Armlingen, kurzer Hose und Kompressionssocken unterwegs, setze ich mich nun erst einmal hin und packe Handschuhe und Mütze aus.

Dazu kommt die Gewissheit, dass es doch nicht nur noch bergauf geht. Noch einmal ein gefährlicher Streckenabschnitt. Zwischen den Wolken steigen wir noch einmal etwas hinab. Rutschig, unwegsam und mit den steilen Hängen neben uns. Das ist nicht meins.

Ganz vorsichtig kämpfe ich mich vorwärts, Schritt für Schritt. Ein Glück, dass ich die Stöcke dabei habe, ohne die ich bei vielen der Steine hinab vermutlich machtlos gewesen wäre.

Zugspitz Trailrun Challenge

Nach über acht Stunden erreiche ich die Knorrhütte. Eine letzte Wasserstelle. Von hier ab geht es nur mit langer Hose und Jacke weiter. Missmutig schaue ich den Streckenposten an. Ich will nur noch in dieses verdammte Ziel. Diesen elendigen Lauf endlich zu Ende bringen.

Der letzte Anstieg: hinauf nach Sonnalpin

Aber gut, was sein muss, muss sein. Auf den letzten drei Kilometern geht es noch einmal 500 Höhenmeter hoch. Dass es nicht ganz hinauf zur Zugspitze gehen würde, war bereits bei der Pressekonferenz herausgeklungen. Zurecht, wie wir später ganz oben bei Schnee und Hagel merken sollten.

Ich gönne mir eine längere Pause, um mir die lange Hose und Jacke überzustreifen. Zusammen mit Andreas, dem ich unterwegs schon so einige Male begegnet bin, geht es auf die letzten Meter.

Wir sehen nicht viel und schauen nur von Kehre zu Kehre. Langsam stapfen wir nach oben, sehnen das Ziel herbei. Die Kilometermarkierungen vergehen aber nur schrecklich langsam. Wir passieren einige Schneereste und zum ersten Mal zeigen sich zwei Sonnenstrahlen. Nach neun Stunden.

So erblicken wir endlich die Sonnalpin und das Ziel. Die Trainingspartnerin ist seit 40 Minuten da, meine Freundin seit zwei Ewigkeiten. Zeitweise hatte ich denen gewünscht, längst den Heimweg angetreten zu sein. Für die letzten 100 Meter verfalle ich dann doch noch einmal in den Laufschritt und überquere nach 9:14:03 die Ziellinie. Nach 49,7 Kilometern und 4.158 Höhenmetern (laut der fenix 2).

Das muss ich erstmal sacken lassen.

Kein Start am Sonntag

Im Ziel herrschen gemischte Gefühle. Ich bin erleichtert, es endlich geschafft zu haben. Der große Stolz allerdings fehlt - und die Begeisterung über ein unglaubliches Rennen auch. Dazu war die Mischung von Lauf- und Wanderveranstaltung zu groß.

Auf den Start am Sonntag verzichte ich schließlich, vor allem, weil ich keinen Sinn darin sehe. Gute 15 Kilometer von Ehrwald aus stünden auf dem Plan, zwei Drittel davon auf dem bereits bekannten Weg. Darunter die letzten sechs Kilometer, die bei bereits recht guten Bedingungen sehr schwer zu gehen waren. Zu groß finde ich das Risiko, diesen Streckenabschnitt bei schlechteren Wetterbedingungen ein weiteres Mal zu absolvieren.

Zu beweisen habe ich mir nichts, deswegen war ich ohnehin nicht hier. Also wird der Sonntag gestrichen, auch wenn meine - natürlich völlig fertigen - Beine mich sicherlich irgendwie hoch getragen hätten.

Was bleibt?

So bleibt auch das Fazit ein sehr gemischtes. Die gesamte Veranstaltung war von Anfang bis Ende top organisiert und ein wirkliches Event. Ebenso das Miteinander unter den Läufern auf der Strecke - wie man es bei Ultradistanzen nicht anders kennt.

Für mich persönlich war der Lauf ebenfalls eine ganz besondere Erfahrung. Neun Stunden lang sich über die Berge zu kämpfen ist doch noch eine ganz andere Nummer als ein flacher 50er.

Allerdings war es an vielen Ecken und Enden wirklich nur ein Wandertag. In den meisten Anstiegen war an Laufen nicht zu denken und wäre auch nicht schneller gewesen - und bergab ging dank meiner Oberschenkel einfach gar nichts mehr. Da erinnert das ach so sagenumwobene Trailrunning dann doch eher an Speedwandern.

Da frage ich mich dann doch: Braucht es das? Ich für meinen Teil hatte ein tolles Wochenende und einen in vielerlei Hinsicht krassen Wettkampf, aber dass ich so etwas noch einmal machen möchte, bezweifle ich doch sehr.

Immerhin, gute 96 Stunden nach dem Zieleinlauf normalisiert sich der Muskelkater in meinen Oberschenkeln wieder ein wenig. Das Treppensteigen ist ohne Festhalten wieder möglich.
Der Blick kann nun wieder Richtung Essen gerichtet werden.

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