Wissenschaft // 12.03.2012
Studie: Barfußlaufen ist ineffizient
Der Trend minimalistischer Schuhe hat seine Runde gedreht. Inzwischen dürften alle Laufschuhhersteller reagiert und die Läufer selbst fasziniert aufgeschrien haben. Der komplette Verzicht auf den Laufschuh hat sich bisher jedoch nur sehr wenig durchgesetzt, obwohl die Befürworter einige Argumente dafür sehen. Es ist das natürlichste Laufen, sei am förderlichsten für die Muskulatur und manche glauben sogar, sie seien damit schneller. Kein Gewicht am Fuß klingt natürlich auch verlockend.
Unter dem Titel "Metabolic Cost of Running Barefoot versus Shod: Is Lighter Better?" wurde nun eine neue amerikanische Studie veröffentlicht, die untersucht hat, ob das Barfußlaufen effizienter beziehungsweise energiesparender ist.* Ausgehend von der Tatsache, dass lediglich bei zwei von sieben früheren Studien statistisch nachweisbare Unterschiede bezüglich der Sauerstoffaufnahme (VO2*, als Maß für die Belastung) zwischen Barfußlaufen und Laufschuhen entdeckt wurden, hat man nun 12 Barfuß-erfahrene Läufer auf den Laufband getestet - barfuß und mit Laufschuhen - und hat nach und nach Gewichte hinzugefügt.
Das weniger überraschende Ergebnis ist die verschlechterte Effizienz bei höherem Gewicht, also dass Lightweight-Schuhe ihre Vorteile gegenüber schweren Schuhen haben. Überraschend ist aber, dass trotzdem der Energieverbrauch beim Tragen von Laufschuhen (und dem gleichen Zusatzgewicht) geringer ist. (Siehe hierzu auch die Grafik im unten verlinkten Runner's World-Artikel)
Verwirrend, wenn doch jedes Zusatzgewicht das Laufen ineffizienter macht. Das widerlegt aber zumindest, solange man bei Studien im Allgemeinen und besonders bei nur 12 Probanden überhaupt von beweisen sprechen kann, dass die Laufschuhe außer dem Schutz vor spitzen Gegenständen keinen Effekt hätten.
Bleibt natürlich die Frage, wie dieser Vorteil zustande kommt. Alex Hutchinson spricht hier die möglicherweise von alleine größer werdenden Schritte mit Laufschuhen (doch woher kommen die?) oder auch simpler weise die Dämpfung der Schuhe, die dem Körper einen gewissen Arbeitsaufwand abnimmt, an. Was nun letztlich stimmt? Eine gute Frage ...
Je intensiver man sich die Beschreibung der Studie anschaut, desto eher verfällt man wieder in den Status, jeder Studie gleich einen Bullshit!-Stempel aufdrücken zu wollen. Zu viele andere Parameter, zu wenige Probanden ...
Dennoch, zurück zur Grundaussage der Studie: ein überraschendes Ergebnis - und ein Gegenargument, wenn jemand das Barfußlaufen jedem anderen auf den Fuß zwängen will.
Siehe auch:
- Runner's World (en)
- Metabolic Cost of Running Barefoot versus Shod: Is Lighter Better? (en, abstract)
via The Science of Sport
* Neunmal-kluge Verbesserungsvorschläge zur Übersetzung sind willkommen.
* VO2 ist nicht zu verwechseln mit VO2max, der maximalen Sauerstoffaufnahme (oft auch VDOT)
17 Kommentare
Lob, Kritik und Anregungen sind immer herzlich willkommen.
Zum Bloggen gehören eure Meinungen ebenso sehr wie die Artikel.
Die Ausführungen sind trotzdem interessant. Und da jeder Hersteller für sich selber "bastelt", bleiben da wirklich relevante Vergleiche auf der Strecke.
Gerade mit deinen Laufleistungen wird das Gewicht der Laufschuhe bereits messbare Veränderungen erwirken. Ob das bei meinem Tempo was ausmacht? Wenn ich daran glaube - schon, oder?
Mir ist wichtig, das ich in meinen Schuhen "ein gutes Gefühl" habe. Zugegeben, das ist natürlich sehr subjektiv.
Die Disskussionen sollen doch in erster Linie Produkte vermarkten. Mir halfen die minimalen Schuhe meinem Laufstil zu mehr Beachtung. Ich besitze also auch ein solches Paar, wie ich vermutlich in 5 Jahren auch ein Paar Laufschuhe mit elektronisch gesteuertem aktiv reponse Dämpfungssystem haben werde ;-)
Weiterhin sehe ich im Laufen mit minimalistischen Schuhe nicht die Effizienz im Vordergrund sondern den Spaß und die Art des natürlichen Laufens. Ob ich mit den Schuhen "effizienter" unterwegs bin, ist bei meiner Leistungsklasse uninteressant! ;-)
Aber als Trainigsmethode für die Verbesserung des Laufstils ist das Barfußlaufen auf alle Fälle zu empfehlen. Gerade die schweren gedämpften und gestützen Schuhe unterstützen einen schlampigen, trägen und vor allem unökonomischen Laufstil.
Auch wenn man nicht beweisen kann, dass Barfußlaufen die Leistung direkt steigert, ist anzunehmen, dass man indirekt einen besseren Trainingseffekt hat...abgesehen vom Verletzungsrisiko
Auch ich möchte in dem Zusammenhang manche Studien anzweifeln, die mit reißerischer Schlagzeile in die Medien kommen. Der Laie weiß oft nicht die Hintergründe und schon gar nicht die Ergebnisse. Dafür gibt es ja solche Blogs, in denen man die Wahrheit lesen kann ;-)
Im Wettkampf würde ich barfuß sicher nicht die gleichen Leistungen erzielen, da wäre ich mir sicher. Bleibt nur die Frage, wie groß der "Anteil" daran der obigen Begründung ist.
@Wolfgang:
Das gute Gefühl in den Schuhen ist eigentlich wirklich das einzige, was da messbare Unterschiede erzielt. Man kann sicherlich auch mit extrem schweren Laufschuhen gute Leistungen erzielen, solange man sich selbst darin wohlfühlt.
Leuten Wettkampfschuhe aufzuzwingen hat genauso wenig Sinn wie das Aufzwingen des Barfußlaufens.
@martin:
Quasi als Gegensatz zum natürlichen Laufen ein elektronisches Dämpfungssystem? Ich bin mir sicher, die Entwickler sitzen längst daran.
@Gerd:
Minimalistische Laufschuhe sind nach der Studie ja ohnehin super, nur ganz barfuß sollte man es nicht tun ;-) Ich bin mir sicher, fünf Sekunden macht das auch bei dir aus :D
@Walter:
Der Trainingseffekt ist definitiv besser. Da widerspricht die Studie ja auch nicht. Mehr Aufwand für den Körper spricht ja meist für "besseres" Training.
@Brennr.de:
Ein wenig ;-)
Nach dem, was ich von der Studie verstanden habe, wären die Ursachen aber die fehlende Dämpfung und dadurch entstehende Mehrarbeit für die Muskeln, diese zu kompensieren. Weniger der Aufwand der Zehen.
Das reicht vielleicht als Indiz, nicht aber als Beweis ;-)
@Philipp:
[zitat]jedenfalls nicht in erster Linie[/zitat] Eben. Bei der Studie behauptet man ja auch nicht, das Barfußlaufen zu widerlegen. Sicherlich war die untersuchte Hypothese nicht die erste, die einem in den Sinn kommt, aber durchaus eine mögliche.
Googlet mal Zola Budd und Abebe Bikila- die haben barfuß auf WM- und Olympia-Ebene gewonnen. Der Schuh ist wirklich nicht maßgebend, man muss sich nur umgewöhnen, bzw. erst gar nicht mit überstrukturierten Schuhen anfangen!
Natürlich kriegt man ohne Schuhe aber auch weniger Werbeverträge von Schuhfirmen, wenn man erst mal anfängt zu siegen ;)