Lauftagebuch // 01.06.2017
Sportpause
Ich möchte diesen Beitrag nicht schreiben. Möchte mich damit eigentlich nicht beschäftigen, sondern es schnell hinter mir lassen und wie gewohnt weitermachen. Aber das klappt nicht und auch das Warten auf irgendeinen Zeitpunkt, zu dem ich Konkretes über die weiteren Pläne sagen könnte, zieht sich in die Länge. Also muss es halt doch irgendwann mal raus.
Im Februar hatte ich schon unter dem philosophischen Titel "Laufen zu dürfen ist ein hohes Gut" erwähnt, dass es zu dem Zeitpunkt nicht wirklich rund lief, wollte in erster Linie aber vor allem auf den neuen Blog meiner Trainingspartnerin verweisen. Während sie inzwischen wieder ein paar wenige Laufrunden drehen kann, sind meine damaligen Worte "Ich kann und darf laufen" inzwischen ins Gegenteil gekehrt. Nichts mehr mit Laufen, und aktuell nicht einmal Alternativsport. Meine Probleme im Bereich von Adduktoren, Leiste und Schambein sind nicht besser geworden.
Ende Januar – Langsam schleichend zeigen sich vor allem bei längeren Läufe die ersten Probleme. Von den Adduktoren her zieht es in Richtung Körpermitte. Mal eher links, mal eher rechts. Mal von den Adduktoren, mal von den Bauchmuskeln. Ob Leiste oder Schambein, irgendwo dort in der Mitte hakt es. Nicht so schlimm, dass ich stehen bleiben müsste, aber eben doch anders, als einfacher Muskelkater. Ich fahre das Pensum etwas (aber nicht viel) herunter und hoffe, dass sich das wieder herausläuft.
Ende Februar – Keine Besserung. Stattdessen treten die Probleme nicht erst bei längeren Läufen, sondern bereits recht früh auf. Während ich das Trainingspensum ganz herunter schraube, schwanke ich lange hin und her, ob ich zum Hausarzt (... der sagt doch bestimmt eh nichts außer "Pause!"), zu einem Physio oder direkt zum Orthopäden soll. Letztlich finde ich einen Orthopäden in Kaiserslautern, der entsprechende Expertise im Bereich von Leiste und Symphyse haben soll. Zur Überbrückung der dreiwöchigen Wartezeit probiere ich es auf eine Empfehlung hin in der Zwischenzeit bei einer Heilpraktikerin.
Besuch bei der Heilpraktikerin – Kurze Triggerpunktbehandlung, viel Dehnen für den Iliopsoas und nach drei Tagen eine Kontrolle. Die Behandlung tut gut und auch die Problemstelle fühlt sich, womöglich auch wegen der dreitägigen Sportpause, besser an. Kinesiotape und ein Laufversuch. Der bleibt allerdings ohne Erfolg.
Im März – Warten auf den Termin beim Orthopäden und der Versuch, sich mit Alternativtraining anzufreunden. Aus der ersten lauffreien Woche seit über sieben Jahren werden gleich fünf Stück hintereinander, denn der Termin beim Orthopäden wird noch einmal um drei Wochen verschoben. Stattdessen: Yoga, Stabitraining, Bouldern und Rennradtouren. Damit kann ich mich in der Zwischenzeit durchaus gut anfreunden. Besser wird es dadurch aber aber leider nicht.
Besuch beim Orthopäden – Ich schildere dem Orthopäden meine Probleme und er drückt und testet an mir herum. Nichts davon tut wirklich weh, nur das Zusammenpressen der Beine gegen einen Widerstand. Beim Laufen fühlt es sich "nicht gut" an und beim Reißen und Zerren an der Symphyse (zum Beispiel bei sehr weiten Ausfallschritten) tut es weh, aber im Alltag oder bei anderen Sportarten habe ich keinerlei Probleme. Unter dem C-Bogen wird dann die Kapsel kontrolliert. Zunächst eine Betäubung, durch die wenig überraschend die Schmerzen verschwinden, dann eine Arthrographie mit Kontrastmittel. Ergebnis: Der Symphysenspalt sieht gut aus, aber der dicke Streifen an der Unterseite gehört so nicht. Er spricht von einer Kapselläsion, spritzt einmal Kortison und meint, die Schmerzen sollten nun weg sein. "Gehen Sie ruhig joggen!" Falls die Schmerzen wiederkommen, würde er operieren.
Zunächst bin ich etwas ungläubig, dann aber euphorisch. Wo auch immer dort eine Kapsel sein soll, ja, es fühlt sich gut an und da reißt nichts mehr. Noch am selben Abend jedoch die Ernüchterung: Alles wie vorher. Zum Glück folgt ein Wochenende, sodass ich nicht am nächsten Tag verzweifelt wieder anrufen kann. Nach zwei Tagen scheint das Kortison zu wirken und ich kann tags darauf nicht nur eine Laufrunde drehen, sondern das nach über zwei Jahren auch zum ersten Mal wieder gemeinsam mit meiner Trainingspartnerin. Schmerzen habe ich keine, aber wirklich rund fühlt es sich auch nicht an. Phantomschmerzen? Oder ist da noch etwas?
Als ich 2009 Knieprobleme hatte, hat sich das Ganze erst erledigt, als ich nicht mehr darüber nachgedacht habe. Also versuche ich den Kopf auszuschalten und laufe behutsam weiter. Höchstens jeden zweiten Tag 5 bis maximal 10 Kilometer. Drei Wochen lang fühlt sich das ganz okay an. In der vierten bin ich mir sicher, dass die Probleme wieder da sind. Nicht ganz so schlimm wie anfangs, aber definitiv vorhanden.
Über das "Warum" gibt es bisher noch keine Analyse. Eine einfache Überlastung scheint mir zu einem Zeitpunkt, zu dem ich seit rund einem halben Jahr nicht überdurchschnittlich viel und überhaupt nicht intensiv trainiert habe, eigentlich unsinnig. Ein ziemliches Ziehen in den Adduktoren beim Koordinationstraining ist beim Auftreten der ersten Probleme aber auch schon zwei Monate her. Zu lange, für ein langsames Verschleppen der Verletzung? Das würde ich gern noch irgendwann wissen.
Zweiter Besuch beim Orthopäden – Während der Rest der Region beim Firmenlauf durch die Stadt zottelt, sitze ich wieder beim Orthopäden. Recht kurz allerdings nur, denn für ihn ist die Sache klar: OP. Bei einigen Patienten sorgt die Kortisonspritze für eine Wunderheilung, aber längst nicht immer und eine zweite Spritze kommt nicht in Frage. Stattdessen schlägt er vor, die geschädigten Adduktoren, an deren Sehnenansätzen offensichtlich Mikrorupturen bestehen, einmal abzutrennen und wieder sauber anzunähen. Vier Tage Klinikaufenthalt und mindestens sechs Wochen Sportverbot, obwohl außer Laufen nichts Probleme bereitet?
Seitdem schwanke ich nun hin und her. Als Alternative meinte der Orthopäde etwas lapidar, ich könne es auch mit drei Monaten Sportpause probieren. Die Heilpraktikerin stimmte dem am Telefon zu: Auch wenn das Alternativtraining keinerlei Schmerzen verursacht, ist es dennoch immer eine Belastung der Adduktoren, des Psoas, der oberen Oberschenkel- und der unteren Bauchmuskulatur. All das müsse möglichst geschont werden, um eine Heilung zuzulassen. Mit drei Monaten ohne Lauftraining könnte ich leben, aber drei Monate völlig ohne Sport? Nicht einmal Yoga, um zumindest mal für eine Stunde den Kopf abschalten und wieder frisch aufsetzen zu können?
Auf der Suche nach einer Zweitmeinung – Vorerst habe ich zumindest noch keinen OP-Termin vereinbart, stattdessen mit dem "Expertenteam" der Krankenkasse telefoniert, mit der Hausärztin gesprochen, einen Termin bei einem weiteren Orthopäden zwecks Zweitmeinung vereinbart und in einem Kurzurlaub bei zwei Touren auf dem Rennrad ein letztes Mal den Kopf freigepustet, um bereit zu sein, für die kommende Sportpause. Wer weiß, wie lang sie werden wird ...
14 Kommentare
Lob, Kritik und Anregungen sind immer herzlich willkommen.
Zum Bloggen gehören eure Meinungen ebenso sehr wie die Artikel.
Natürlich ist nicht egal, woher es kommt. Gegebenenfalls kann man daraus folgern, wie man ähnliche Probleme in Zukunft vermeiden kann. Aber wichtiger als die Frage "woher" finde ich die Frage "wohin". Drei Monate klingen ewig. Und fest steht: Ich will mindestens genauso wenig wie du, dass du drei Monate nichts tun kannst!!! Zwölf Wochen - ausgerechnet über Sommer, und jetzt, wo ich endlich wieder hinter dir herhecheln könnte!! Auf der anderen Seite gehen drei Monate auch unglaublich schnell vorbei. Wenn mir im März 2015 jemand gesagt hätte, dass ich 26 Monate lang nicht laufen können werde, wäre ich wahnsinnig geworden (na gut - noch wahnsinniger). Wenn ich im September letztes Jahr gewusst hätte, dass sechs Monate überhaupt nichts gehen wird (nicht mal gehen) - keine Ahnung wie ich das verkraftet hätte. Rückblickend nehme ich diese zwei Jahre kaum noch wahr. Ich erinnere mich als ob es vor drei Wochen gewesen wäre an den Tag in Schriesheim. Und noch viel mehr an all die coolen Läufe und Aktionen davor. Drei Monate Füße stillhalten wird ganz bestimmt hart - aber gibt dir auch Zeit, an anderen Projekten zu arbeiten. Und am See zu liegen :-) Dafür machen die sportlichen Aktivitäten ab Herbst doppelt so viel Spaß!
In den ganz ätzenden Momenten kannst du ja daran denken, dass du dreimal hintereinander fast die ganze Zugspitze hochgerannt bist. Ob dich das motiviert (im Sinne von: "Dann schaffe ich das hier auch"), oder du dir denkst "Laufpause über Sommer ist immerhin besser als das wieder tun zu müssen", darfst du dir aussuchen :-)
was für ein Mist. Mich würde es auch nicht gerade beruhigen, dass der Orthopäde gleich operieren will und verstehe deine Vorgehensweise eine Zweit, Dritt- und Viertmeinung einzuholen völlig.
Drücke dir die Daumen, dass es bald wieder besser wird - ob mit oder ohne OP.
Gruß Ruben
Ich wünsch dir alles gute.
Sportliche Grüße aus Berlin.
Und ich möchte ihn nicht lesen. Habe es dann aber doch getan. Nachdem ich lange Zeit fast nichts mehr von Dir hörte bzw. las, wollte ich natürlich wissen, wie es Dir geht. Es tut mir wirklich leid, dass Du solche Probleme hast und drücke Dir ganz fest die Daumen, dass Du bald wieder wie früher laufen kannst. Auch wenn es hart ist, ich würde es mit der 3-monatigen Sportpause probieren. Sie wird vorübergehen und wenn Du dadurch eine OP vermeiden kannst, ist es ein Versuch wert. Wie beim Marathon: Denke ans Ziel und nicht an die Strecke. Du schaffst das!
Ja, über den Dr. Krüger bin ich auch gestolpert. Der ist aber vom Kaliber wie mein 1. Orthopäde und als gleichzeitiger Chirurg durchaus operationswillig - so zumindest mein Eindruck.
Da magst du Recht haben, wobei es zumindest eine zweite, absolute Experteneinschätzung wäre. Ich persönlich würde auf jeden Fall ebenfalls vor einer OP zurückschrecken und erst einmal alles andere versuchen...
Habe seit Mitte März ähnliche Probleme. Beim Aussteigen aus dem Auto hatte ich aufeinmal ein starkes Stechen im rechten Knie und konnte nicht mehr auftreten.
Nun war ich schon mittlerweile bei drei Orthopäden und jeder sagt was anderes.
Der erste meinte, es sei das Innenband und es vergeht nach 2 Wochen: FALSCH
Der zweite hat mir eine Bandage verschrieben und Einlagen für die Schuhe: HILFT NICHT
Der dritte hat mir nun Physiotherapie verschrieben und meint, es ist der Muskelansatz des Oberschenkels: MAL SEHEN...
So langsam verliert man den Glauben an die Orthopäden...
Gute Besserung Dir noch und toi toi toi