Laufstrecken // 21.02.2009

Expedition nach Hause

Samstag, 21. Februar 2009 - im Terminkalender hätte für heute vieles stehen können. Schließlich fand heute die Landesrunde der Mathematik-Olmypiade 2009 in Kiel statt. Allerdings ohne mich. Zu meinem Bedauern fanden in diesem Jahr die Aufgaben der ersten beiden Runden nicht den Weg zu mir, sodass mir eine Teilnahme verwehrt war. Aber wer möchte schon am Tag nach der 300-minütigen Mathe-Abiklausur erneut stundenlang rechnen? Eben. Eine andere Möglichkeit wäre der famila Kiel-Marathon gewesen. 10,5 km, Halbmarathon oder Marathon. Da sprach doch jemand von Wettkampfsehnsucht? Aber im Winter bei schwacher Organisation an der Kieler Förde gegen den Wind kämpfen, das entsprach nicht meinen Vorstellungen. Stattdessen lieber Fußball schauen? Holstein Kiel gegen den 1. FC Magdeburg, das Topspiel der Regionalliga-Nord - bei dem großen Polizeiaufgebot war doch Spannung garantiert.

Ich antwortete auf die Frage "A, B oder C?" allerdings lieber mit "D!", was in gewisser Weise eine Kombination aller Möglichkeiten bedeutete. Beim Sport zuschauen und anschließend selber etwas tun, das tat ich in Kiel-Projensdorf, wo ich meinem Bruder beim Unihockey zuschaute. Und anstatt mich bei der Mathe-Olympiade zu verausgaben, war mir gestern Abend eine grandiose Idee gekommen. Bereits beim letzten Unihockey-Spieltag meines Bruders in Plön hatte ich mit dem Gedanken gespielt, dort zum Laufen zu kommen. Von Plön wäre der Rückweg allerdings zu lang gewesen. Von Projensdorf ist es hingegen machbar. Die Luftlinie von 7,5 Kilometern macht aufgrund der Kieler Förde läuferisch über 20 Kilometer.

Die Laufsachen waren also eingepackt und nach einigen ansehnlichen Spielen ging es für mich in Laufschuhen auf den Weg nach Hause, während der Rest der Familie das Auto nahm. Ohne Musik und in kurzer Hose ließ ich mich mittels GPS in Richtung Osten leiten. Immer weiter, bis ich die Kieler Förde erreiche, von dort würde ich den Weg kennen. Völlig unbeschwert lief es fast wie im Flug. Bei grauem Himmel und ständigem Straßenlärm. Wie schön es doch ist, in einem 8.000-Einwohner-Dorf zu wohnen.

In unberührter Natur


Etwas verspätet fand ich den Weg zu einer kleinen Brücke über die Schnellstraße, bevor ich mich dann vom Lärm leiten ließ. Das Topspiel zwischen Holstein und Magdeburg dürfte nun zu Ende gewesen sein. Immer wieder hörte ich Sirenen und war überrascht, als ich kurz darauf die Polizeiwagen vor mir sah. Ich hatte mich verschätzt. Anstatt strikt Richtung Osten ans Wasser zu laufen, war ich intuitiv zum Holsteinstadion gelaufen. Überfüllte Wege, abgesperrte Straßen, Sirenengeheul, viel Rauch und einige Explosionen - das ist Regionalliga-Fußball. Ich schlängelte mich durch die Massen und verzichtete auf die Ergebnisfrage. Bis zur Antwort wäre ich bei meinem Tempo ohnehin verschwunden.

Schließlich fand ich doch noch den Weg ans Wasser und Erinnerungen kamen hoch. Hier ist die kraftraubende Steigung des Kiel-Laufs, wo ich 2007 und 2008 einige Zeit verlor. Nun war also die Stadtenge vorbei und ich hatte die Promenade erreicht. Bei leichtem Nebel erblickte ich auf der anderen Seite der Kieler Förde Kitzeberg, sodass ich auch Heikendorf erahnen konnte. Da wollte ich hin, eigentlich ein kurzer Weg.

Gute fünf Kilometer ging es dann am stillen Wasser entlang, die Strecke, die ich für die Läufer-Meile Kiels gehalten hatte. Doch ich traf nur wenige Läufer, und diese schauten mich eher entsetzt als erfreut an. Was war denn dort los? Ist das Leben in der Stadt so grausam, dass man nicht lächeln kann? Ich dachte, laufen macht glücklich? - Denn von den Spaziergängern hatte ich hier ehrlich gesagt keine anderen Reaktionen erwartet.

Etwas genervt von den dortigen Menschen lief ich dann weiter, sah am Straßenrand noch die Kilometerschilder und lief kurz darauf an den abbauenden Organisatoren des famila Kiel-Marathons vorbei. Es juckte jedoch überhaupt nicht in den Beinen. Heute war nichts mit Wettkampf (auch wenn das Tempo hoch war), heute war ein Ausflug dran. In jenem Moment sausten dann die nächsten drei Polizeiwagen mit Sirenengeheul in Richtung Bahnhof. Sorgten die Magdeburger-Fans für Unruhe?

Mir war es egal. Nun ging es über die Hörnbrücke, wo der Firmenlauf stattfinden wird, und schon war ich auf meiner bekannten Strecke, welche ich bei gutem Wetter gerne mit dem Rad fahre, um in der Stadt etwas zu erledigen. Zehn Kilometer waren locker geschafft und von hier waren es noch gute zwölf Kilometer, die etwas ereignisloser abliefen. Ein bekannter Weg mit einer heftigen Steigung, dann ein wenig Matsch-Getrampel, um wenigstens kurz dem Straßenlärm zu entrinnen und endlich hatte ich Kiel verlassen. - Auch Google-Earth zeigt es, nun war ich im grünen Bereich.

Nach schönen 22 Kilometern erreichte ich unseren Garten mit perfektem Timing. Noch während ich duschte fing draußen der Regen an. Die Expedition nach Hause war also erfolgreich. Eine deutliche Erkenntnis habe ich dabei allerdings gewonnen: Ich bin froh, wenn solche Stadtläufe die Ausnahme bleiben. Für heute war es eine tolle Abwechslung und in Kiel war viel los. Aber mehr als einmal im Monat durch die Stadt zu laufen, das würde ich schon fast als Körperverletzung einstufen.