Wissenschaft // 03.11.2013

Modelle zur Wettkampfprognose

Was werde ich in meinem nächsten Wettkampf laufen können? Was war meine letzte 10-km-Zeit wert? Was muss ich im Halbmarathon laufen, um im Marathon eine Chance auf eine 2:59 zu haben? - Fragen über Fragen, die sich ein Läufer immer wieder stellt, und für die es viele Antworten gibt.

Eine absolute Lösung gibt es natürlich nicht, denn jeder Körper tickt ein wenig anders. Manche Läufer haben ihre Stärken auf den kurzen Strecken, andere blühen erst beim Marathon so richtig auf. Dennoch versucht man natürlich, sich dem Ganzen mit mathematischen Modellen zu nähern. Ich versuche euch die Modelle ein wenig näher zu bringen.

Simple Prognose nach Herbert Steffny

Die einfachsten Formeln liefert "Das große Laufbuch" von Herbert Steffny. Dort werden einfache Rechnungen angegeben, um eine Wettkampfzeit auf die nächsthöhere Distanz umzurechnen. Die Formeln sind einfach zu merken, schnell gerechnet und decken die wichtigsten Distanzen ab.

Ausgangsdistanz Zieldistanz Formel Beispiel
5 km 10 km x 2 + 1 min 16:32 » 34:04
10 km HM x 2,21 35:09 » 1:17:41
HM M x 2,11 1:16:15 » 2:40:53

Das Modell liefert auch anhand meiner Bestzeiten vernünftige Ergebnisse. Es ist richtig, dass die 10-km-Bestzeit etwas schlechter als die anderen Zeiten ist. Das Modell hat aber den Nachteil, dass es nur auf die typischen Distanzen anwendbar ist. Prognosen für andere Distanzen können nicht aufgestellt werden.

Prognose mit einem Ermüdungskoeffizienten nach Peter Riegel

Ein flexibleres Modell geht auf Peter Riegel zurück:

t2 = t1 x ( d2 / d1 ) k

Dabei beschreiben d1 und d2 die verschiedenen Distanzen, t1 und t2 die entsprechenden Zeiten und k einen Ermüdungskoeffizienten. Dieser wird typischerweise mit Werte zwischen k = 1.06 und k = 1.08 angegeben. Bei der Anpassung des Modells an die Weltrekorde ergibt sich k = 1.0759. Für meine 5-km-Bestzeit als Grundlage ergeben sich folgende Prognosen:

Zieldistanz k = 1.06 k = 1.065 k = 1.07 k = 1.075 k = 1.08
10 km 34:28 34:35 34:43 34:50 34:57
HM 1:16:03 1:16:36 1:17:10 1:17:43 1:18:17
M 2:38:34 2:40:16 2:41:59 2:43:44 2:45:29

Interessant ist, dass Steffny über 10 km und die Halbmarathon-Distanz (von 34:04 über 10 km ausgehend) deutlich schnellere Zeiten prophezeihen würde, auf der Marathon-Distanz aber eine langsamere Zeit.

Doch auch dieses Modell hat einen klaren Nachteil: Wie wird der Koeffizient k festgelegt? Nimmt man den aus den Wettkampfzeiten oder einen, der einem gerade am besten gefällt?

Competitive Performance Predictor nach Robert Bock

Abhilfe schafft der Competitive Performance Predictor von Robert Bock. Auch wenn er zunächst nach etwas ganz anderem klingt, greift er auf die gleiche Idee zurück: Ein Ermüdungskoeffizient bestimmt den exponentiellen Verlauf der Bestzeiten.

t = K x ( d ) ε

Hierbei beschreiben K und ε zu bestimmende Konstanten, wobei K der 1-km-Zeit und ε dem Ermüdungskoeffizienten entsprechen. Die beiden Konstanten werden aus zwei Ergebnissen über zwei verschiedene Distanzen berechnet. tl/tk und dl/dk sind die Zeiten und Distanzen des kürzeren bzw. längeren Wettkampfes:

ε = log( tl / tk ) / log (dl / dk ) und K = tl / ( dlε )

Doch auch wenn die Formeln so anders aussehen, ist es genau das gleiche Modell wie von Peter Riegel. Mit dem einzigen Unterschied: Der Ermüdungskoeffizient wird variabel berechnet.

1. Ergebnis 2. Ergebnis Formel
5 km 16:32 10 km 35:09 k = 1.0881
5 km 16:32 HM 1:16:15 k = 1.0615
10 km 35:09 HM 1:16:15 k = 1.0371

Die Alternative: VDOT-Modell von Jack Daniels

Andere Formeln beziehungsweise viel mehr Tabellen sind in "Die Laufformel" von Jack Daniels zu finden. Jack Daniels verwendet VDOT als Maß der aktuellen Laufleistung. Das ist ein Pseudowert, der sich aus der Laufökonomie und dem O2max, der Rate der maximalen Sauerstoffaufnahme, zusammensetzt. Aus einem VDOT-Wert kann man nun Wettkampfleistungen bestimmen und umgekehrt.

VDOT 5 km 10 km HM M
vdot = 61 16:48 34:52 1:17:02 2:41:08
vdot = 62 16:34 34:23 1:15:57 2:38:54
vdot = 63 16:20 33:55 1:14:54 2:36:44

Umgekehrt entsprechen meine Wettkampfleistungen über 5 km vdot = 62.17, über 10 km vdot = 60.41 und beim Halbmarathon vdot = 61.75.

Prognose aus Trainingsleistungen? - Runalyze

Eines kann aber keines der oben Modelle wirklich leisten: Eine Prognose anhand der Trainingsleistungen aufstellen. Denn was bringen einem die Prognosen anhand der letzten 10-km-Bestzeit, wenn man über genau diese Distanz eine neue Bestzeit aufstellen möchte?

Zur Berechnung der aktuellen Form wird in Runalyze das VDOT-Modell mit einer Erweiterung auf die Herzfrequenz verwendet. Anhand der Pulsdaten von Trainingsläufen wird der VDOT-Wert geschätzt. Dadurch kann man die VDOT-Tabellen auch ohne Wettkampfergebnis verwenden.

Laufen muss man aber letztlich noch immer selbst, egal weches Modell man verwendet und was für tolle Zeiten man sich prognostiziert.

Siehe auch